Schweden 4

Sonntag, 23. Juli 2023Rättvik Holzbrücke und Kirchenställe

Diese Nacht haben wir nicht so gut eingeschlafen und deswegen bin ich nach einem Blick auf die Uhr ganz erstaunt. 10h10, wie ist das möglich, dass ich so lange geschlafen habe? Dies hat ja Seltenheitswert, denn dies gelingt mir sonst nie. Wir stehen auf, essen draussen ein Frühstück mit selbstgebackenem Brot, plaudern und so vergeht die Zeit wie im Flug. Nach dem Aufräumen konsultieren wir die Wetterapp und entscheiden uns welche Route wir nehmen sollen. Es ist bereits 13h, bis wir losfahren. Als erstes kaufen wir in Rättvik einige Lebensmittel, dann besuchen wir die «Langbryggan». Rättvik liegt am Ende einer sehr flachen Bucht. Grössere Schiffe können hier nicht ans Ufer fahren. Deshalb baute man schon 1895 eine lange Brücke in den See hinein. Diese Brücke ist 628 m lang. Auf dieser Brücke hatte es noch Schienen, für den Transport von Waren. Im Jahre 1992 musste die Holzbrücke total saniert werden und hat nun keine Schienen mehr, denn wegen der Eisenbahn verlor der Frachtverkehr über den See an Bedeutung. Wir schlendern mit etlichen anderen Touristen und Badegästen über die Holzbrücke und wieder zurück. Es ist 20° und sonnig und man spürt, dass die Schweden Sommer haben. Sie baden, stehen Schlange für ein Glace, zeigen sich in kurzen Hosen und Sommerkleidern und flanieren an der Seepromenade. Nur wenige Autominuten entfernt ist eine weitere Sehenswürdigkeit von Rättvik. Rund um die Kirche stehen insgesamt 87 Kirchställe aus Holz. Meist stammen sie aus dem 17. und 18. Jhd., aber einige sind noch älter. Die Ställe wurden für die Pferde der Gemeindebewohner während des Gottesdienstes genutzt. Reiche Grossbauern der Gegend konnten sich einen solchen Stall kaufen und ihre Pferde unterstellen. Arme Menschen mussten ihre Pferde während des Gottesdienstes draussen lassen, egal ob es regnete oder schneite.

Jetzt müssen wir uns beeilen, denn der Shop der Dalapferde und Messerwerkstadt schliesst um 17h. Um 16h45 sind wir da und Urs freut sich an den Messern aus Mora. Ihm ist bekannt, dass es hier gute handgefertigte Messer gibt. Seit unserer Abfahrt vom letzten Stellplatz suchen wir Wasser. Unser Tank und die Kanister sind leer. Zum Glück werden wir bei einem neueren Stellplatz fündig. Wir nutzen die Ver- und Entsorgungsstation und befüllen den Cali. Jetzt sind wir wieder unabhängig und weiter geht die Fahrt auf der E45, dem Innlandsvägen. Vor uns steht ein Kleinlaster auf der Strasse und scheint eine Panne zu haben. Statt ein Pannendreieck hat er einen kleinen roten Koffer auf die Strasse gestellt. Ganz kurios und wir schütteln lachend den Kopf. Sachen gibt’s! Einen ersten Platz zum Schlafen fahren wir über eine immer schlechter werdende Schotterstrasse an. Kurz vor dem Ziel ist die Schotterstrasse zur Matschpiste geworden. Dank 4×4 schaffen wir es bis ans Ziel am Fluss, aber da steht doch tatsächlich ein schwedisches Wohnmobil. Entweder war dieser extrem mutig, oder er steht schon vor dem letzten grossen Regen da.

Wir verlassen die Schlammpiste wieder und suchen nach einem weiteren Platz. Nach 30 Minuten werden wir fündig. Ein deutsche Familie steht mit ihrem Kastenwagen schon da und wir können uns gut dazu stellen, denn es hat genug Platz für zwei Fahrzeuge. Schnell machen wir es unseren Nachbarn gleich, suchen Holz und entfachen ein Feuer in unserer Feuerschale. Da wir heute am Strassenrand unterwegs Erdbeeren an einem Stand gekauft haben, gibt es nochmals Waffeln. Wir geniessen das Campingleben in freier Natur. Neben uns qualmt ein Feuer und zum Essen lassen wir uns die Waffeln mit schwedischen Erdbeeren schmecken. Herrlich! Da fühlt man sich pudelwohl! Um ca. 22h ist es so feucht und kühl, dass wir den Abwasch tätigen und aufräumen. Wir hoffen, dass wir diese Nacht besser schlafen können und morgen wieder früher wach sind.

Montag, 24. Juli 2023 – Nationalpark Hamra

Um 8h45 Uhr stehen wir auf. Währenddem Urs draussen an der Sonne in seinem Buch liest, stelle ich die Route der nächsten Tage zusammen. Es ist gar nicht so leicht, die Strecke und die Sehenswürdigeiten so einzuteilen, dass wir am Sonntag wieder in Südschweden sind. Man könnte sich noch lange in diesem Land aufhalten und Interessantes entdecken. Nun warten die restlichen Brötchen, Waffeln und frische Erdbeeren auf uns. Bis wir mit allem fertig sind, ist es nach 12h. Heute steuern wir den kleinsten Nationalpark Schwedens an, den Hamra Nationalpark. Es soll hier einen urwaldähnlichen Wald geben. Ein Wald, in welchem man alles so lässt, wie es ist, nichts wegräumt, nicht aufforstet, nichts verändert. Wir sind gespannt, was uns erwartet. Einen Blick auf die Tankanzeige verrät uns, dass wir in baldiger Zukunft Diesel brauchen. Die nächste Tankstelle ist aber erst in über 60 km. Wir haben nicht beachtet, dass im Norden ein bedeutend wenier dichtes Tankstellennetz ist und die E45 über 120 km ohne Tankstelle durch ein dünn besiedeltes Gebiet führt. Sollen wir den 5 km Hin- und 5 km Rückweg auf Schotter zum Nationalpark noch zusätzlich wagen? Wir entscheiden uns für ja, sind uns aber nicht sicher, ob dies die richtige Entscheidung war.

Auf dem Parkplatz des Nationalparkes schnüren wir uns die Halbschuhe an und informieren uns am Eingang. Wir wählen die gelbe 3 km Route. Wie üblich ist die Route gut mit gelben Bändern an den Bäumen markiert. Zuerst geht es auf einem breiten neu anelegten Bretterweg zu einem Beobachtungsposten an einem See, welcher je nach Jahreszeit einen unterschiedlichen Wasserstand hat. Leider sehen wir keine Seevögel, aber die Gegend gefällt uns gut. Nun führt der Weg über Stock und Stein, über Wurzeln, über Baumstämme und über Bolenwege. Wir durchwandern einen wunderschönen, interessanten und nicht aufgeräumten Wald. Völlig natürlich wird alles gelassen, ausser die grossen Baumstämme über den Wanderweg werden entzweigesägt. Wir entdecken veschiedene Pilze, Moose, Rinden, Flechten, hören einen Specht, naschen wunderschöne und feine Heidelbeeren, sehen unreife Moltebeeren und hören ab und zu die Mücken um unsere Köpfe schwirren. Sie sind aber nicht lästig. Wir sind glücklich diese Wanderung gemacht zu haben.

Nach 15h verlassen wir den Parkplatz. Im Auto wird es immer stiller und Urs versucht am spritsparendsten zu fahren. Wenn immer möglich nutzt er die guten Rolleigenschaften des VW-Buses. Wir haben noch 43 km vor uns bis zur nächsten Tankstelle und die Bordanzeige zeigt eine Reichweite von noch 50 km. Ob das reichen wird? Wir schauen nur ab und zu auf die Anzeige, welche im Wettstreit mit den zu fahrenden Kilometern ist. Zwischen 7 und 10 Kilometer würden wir theoretisch bei der Tankstelle noch übrig haben, aber wie genau die Anzeige ist, wissen wir nicht. So spulen wir mit zwischen 70 – 90km/h die restlichen Kilometer ab und sind dabei beide ziemlich nervös. Endlich sind wir da und fahren an die erste Tankstelle, die wir sehen. Dies ist wohl der kostbarste Diesel in unserer Karriere mit dem VW-Bus. Für unser Nervenkostüm brauchen wir ein solches Abenteuer aber nicht alle Tage. Über 83 Liter füllen wir in unseren eigentlich 80 Liter grossen Tank. Jetzt geht es uns merklich besser und in Sveg schauen wir uns den grössten Holzbären der Welt an. Wegen den Witterungseinflüssen musste sein Kopf innerlich gestützt werden. Nun ist der Rücken und der Kopf mit Dachpappe abgedeckt. Wenige Kilometer später können wir leider die schöne Kirche Älvros nur von aussen ansehen. Der hölzerne separat stehende Glockenturm sieht sehr hübsch aus.

Da die Zeit schon fortgeschritten ist und wir die Abendsonne noch etwas geniessen möchten fahren wir 20 Minuten später einen grossen Schotterplatz bei einem Forellenteich an. Hier könnte man eine Tagesfischlizenz für ca. 13 Fr. kaufen und 4 Fische pro Person fischen. An diesem Platz freuen wir uns an der Abendsonne. Der See ist still und die Bäume und Wolken spiegeln sich sehr schön im Wasser. Gemütlich mit einem kleinen Abendessen und einem Spiel lassen wir den Abend ausklingen. Nach 23h ist es zu dunkel um zu lesen, aber doch sieht man noch ganz gut ohne Lampe.

Dienstag, 25. Juli 2023 – Höchster Pass Schwedens

Heute klingelt wieder einmal der Wecker. Wir stehen um 7h45 auf, denn ein Fahrtag steht auf dem Programm. Das Wetter wird schlecht und wir würden heute noch gerne ohne Regen die höchste Passstrasse Schwedens fahren. Entlang dem “Innlandsvägen” (E45) fahre ich nordwärts Richtung Östersund, danach biegen wir Richtung Westen nach Ljungdalen. Während ich fahre, muss Urs die Verantwortung für das Fotografieren aus dem fahrenden Auto übernehmen. Die Freude ist gross, als uns die ersten Rentiere am Strassenrand begegnen. Für Urs steigt aber somit auch die Verantwortung für die Fotos und nach zwei Stunden Fahrzeit wechseln wir das Steuer und Urs übernimmt. So ist momentan jeder an seinem richtigen Platz.

Unter einer Passstrasse stellen wir Schweizer uns eine kurvenreiche alspahltierte Strasse vor, welche sich einen Pass hinauf schlängelt. Hier haben wir eine gute Schottertrasse, der Flatruetvägen, vor uns, die uns der Fallline nach geradeaus bis auf 975 m hinaufführt. Nun sind wir auf einer kargen praktisch baumlosen Hochebene. In ihrer Kargheit aber durchaus schön und einsam. Etliche Pkw und Wohnmobile parkieren auf der Passhöhe. Der Himmel ist bewölkt, aber wir haben Glück und es regnet noch nicht. Wir haben Hunger und essen einen Cuscussalat und dazu bratet Urs vor dem Auto zwei Bratwürste auf dem Gaskocher. Mit wunderbarer Aussicht und sogar einigen Sonnenstrahlen essen wir unser Mittagessen.

Ca. 1¾ Stunden später verlassen wir die Hochebene und schnurgerade geht’s etliche Höhenmeter hinab. Wieder begegnen uns Rentiere und dies gefällt uns! Obwohl wir noch nicht in Lappland sind, gibt es hier die für Nordskandinavien typischen Rentiere. Im Sommer leben diese frei, sind markiert und haben somit einen Besitzer. In Schweden leben 230 000 – 280 000 Rentiere. Im Spätherbst treiben die Rentierzüchter ihre Tiere zusammen und sortieren sie in grossen Holzzäunen. Die Kälber gehören immer zur Mutter und sie werden markiert. Danach werden sie z.T. auf ihre Farmen getrieben. Da es im Sommer stetig hell ist und im Winter lange dunkel, wechseln die Tiere ihre Augenfarbe. Ihre Augen reflektieren im Sommer das Licht und sind golden. Im Winter aber streuen die Augen das Licht und scheinen dunkelblau. Dank dieser Anpassung können sie in jeder Jahreszeit gut sehen. Rentiere haben auch sehr schöne Geweihe. Sie wachsen bis zu 2 cm pro Tag. Es ist die einzige Hirschart, bei denen auch die Weibchen Geweihe tragen. Da sie im Winter trächtig sind, benötigen sie ihre natürliche Waffe, um ihr Futter zu verteidigen. Sobald sie ihre Kälber im Mai, Juni gebären, stossen sie ihr Geweih ab. Die Männchen stossen ihr bis zu 10 kg schweres Geweih vor dem Winter ab.

Nun hat es wieder Föhren und Gebüsch, kleine Seen und Moorgebiete. Die Strasse schlängelt sich durch schöne nordische Landschaft bis nach Funäsdalen. Weiter geht’s auf der landschaftlich schönen Strasse 311 südlich. Die Gegend ist dünn besiedelt und immer wieder sehen wir Rentiere am Strassenrand nach den besten Gräser suchen, oder durch den lichten Wald springen. Trotz umherschweifender Blicke entdecken wir leider keinen Elch, aber freuen uns an den Rentieren. Unsere Fahrt unterbrechen wir spontan bei einem Parkplatz mit dem Hinweisschild “Meteoriten Krater”. Es sind nur wenige Minuten zu Fuss und man steht am Rand eines kleinen Kraters. Wir studieren die Infotafel und können dank Übersetzungsprogramm am Handy auch in deutsch lesen. Wenn wir schon keine Elche gesehen haben, so sehen wir hier Anzeichen ihrer Anwesenheit, in Form von Hinterlassenschaften.

Wir fahren weiter Richtung Särna. Ein weiterer Stopp unternehmen wir bei den Stormschnellen “Fjaetfallen”. Eine Hängebrücke überquert den Fluss. Man hat eine schöne Sicht auf die Stromschnelle. Der Untergrund muss moorig sein denn das Wasser ist ziemlich braun. Man könnte hier die Picknicktische für ein Mittagessen nutzen und auch die Wanderwege ausprobieren.

Von hier aus geht’s noch 45 Minuten bis zu unserem Übernachtungsplatz in der Nähe unseres morgigen Zieles, dem Njupeskaer Wasserall. Es regnet nun ziemlich stark und auf den Schotterplätzen haben sich grosse Wasserlachen gebildet. Wir hoffen, dass wir morgen eine Regenpause für unseren Ausflug zum Wasserfall nutzen können. Jetzt geniessen wir erstmal einen schönen Abend in unserem trockenen und warmen Auto, denn es regnet den ganzen Abend und ist nur ca. 11,5° warm. Es ist der erste Abend unserer Ferien, den wir nicht draussen verbringen können. Wir nutzen ihn, um die Webseite auf den aktuellen Stand zu bringen.

2 Kommentare to “Schweden 4”

  1. Lis+Frank

    Schliesse mich Annette und Erich an; Hammer Bilder!
    So viele Rentiere in der freien Natur, mega … da möchte man dabei sein!
    Bravo!
    Ihr seit aber weit oben… wieviele Wochen habt Ihr denn Zeit?
    😅
    Geniesst jede Minute und seit gegrüsst!
    Franky u Lis

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